Foto © Marian Wood Kolisch
Das Literarische Vermächtnis der 2ß18 verstorbenen Autorin Ursula K. Le Guin ist mit so hervorstechenden Gedanken gut bestückt, dass es kaum vorstellbar ist, dass sie ‚Die linke Hand der Dunkelheit‘ bereits 1069 aufs Papier brachte. Denn eines der aktuellsten Themen in der Gesellschaft ist der Umgang mit dem ‚Gendern‘ und zwar 2023. So, was wäre also, wenn der Mensch als androgynes Wesen zur Welt käme, weder zweifelsfrei männlich, noch weiblich. Im geschlechtsreifen Alter würde sich innerhalb eines Monatszyklus ein Zeitfenster auftun, in dem durch Ausschüttung entsprechender Hormone entweder weibliche oder aber männliche Geschlechtsorgane ausgebildet würden, sodass es zur Zeugung kommen kann. Nach dieser Phase bilde sich die Geschlechtsmerkmale wieder zurück und der Mensch widmet sich wieder seiner friedlichen Neutralität. Im Falle einer Schwangerschaft geschieht dies jedoch erst nach der Stillphase.
Genly Ai ist Botschafter*in und wirbt bei den Regierungen des Planeten Gethens um den Beitritt ins Ekumen. Ekumen besteht aus einem Verband von 83 bewohnbaren Planeten und ist für ungefähr 3000 Nationen ein Umschlagplatz für Handel und Wissen. Ihre Absichten sind niemals kriegerisch und der Beitritt eines Planeten geschieht immer freiwillig. Doch Genly Ai tut sich schwer mit den undurchsichtigen gesellschaftlichen Strukturen, die sich in der Hauptstadt des Königreichs Karkide darstellen. Der König ist wahnsinnig und seine Waffe ist die Verbreitung von Angst. Durch die weitestgehende Androgynität des Volkes ist es nahezu unmöglich, dieses Volk für einen Krieg zu mobilisieren und zwar gegen den Nachbarstaat Orgoreyn. Intrigen beherrschen den Alltag. Als sein einziger Verbündeter, ein Minister des Königs, verbannt wird, beschließt Genly Ai nach seiner glücklosen Mission den verfeindeten Nachbarstaat Orgoreyn aufzusuchen. Genly Ai wird dort freundlich aufgenommen und findet hier auch deutlich entkrustete Strukturen vor. Hir herrscht kein allmächtiger König, sondern ein Parlament. Die Menschen sind offen und freundlich. Der König Karkides ist schwanger und sein intriganter Vetter übernimmt die Schwangerschaftsvertretung. Genly Ai trifft auf seinen ehemaligen Verbündeten, den Minister, doch die Karten werden neu gemischt.
FISCHER Tor
352 Seiten, 18,- €
ISBN: 978-3-596-70712-6
Übersetzt von: Karen Nölle
Ursula K. Le Guin (1929–2018) gilt als die Grande Dame der angloamerikanischen Science-Fiction. Sie wurde mit zahlreichen Literatur- und Genrepreisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem National Book Award für ihr Lebenswerk. Ihre Bücher beeinflussten viele namhafte Autoren, darunter Salman Rushdie und David Mitchell ebenso wie Neil Gaiman und Ian M. Banks.

