© Carsten Koall

Sachlich, nüchtern und facettenreich widmen sich Benjamin Derin und Tobias Singelnstein in dieser gründlichen Inspektion der mittlerweile so mächtigen Organisation ‚Die Polizei‘. Dabei graben sie penibel jeden Stein um und lassen keinen Blickwinkel aus, eine wirklich tolle Recherche. Durch dieses Buch werden die Ursachen für das derzeitig partiell desaströse Handeln der Exekutiv Organe jedenfalls klar benannt.

In den letzten Jahren machte die Polizei medienwirksam nicht wirklich als ‚Freund & Helfer‘ auf sich aufmerksam. 2017 werden Verbindungen der Polizei zum Nordkreuz-Netzwerk, die offenbar auch aktuell noch bestehen. 2021 dann die Auflösung des SEK in Frankfurt aufgrund der Organisation rechtsextremer Chatgruppen. 2019 saßen 20 ehemalige Polizist*innen für die AfD in Länderparlamenten und im Bundestag.  Das große Teile der Polizei immer noch auf dem rechten Auge blind sind, ist nach dieser Recherche von Derin/Singelnstein immer noch deutlich wahrnehmbar und dies ist im Osten stärker wahrnehmbar, wie im Westen. Die Polizei ist ein riesiger, mit vielen Aufgaben betrauter, Apparat. Die, aus dem militärischen Ursprung herrührende Hierarchie, erzeugt starre bürokratische Strukturen, die sich geradezu lähmend in ihrer Arbeit widerspiegeln. Menschen (meist Männer), die sich für diesen Beruf entscheiden, haben oft gesellschaftspolitisch eine eher konservative Einstellung, die der zunehmenden Diversion entgegensteht. Sie werden zunehmend mit immer mehr, ihr fremden, Kulturen und Lebensentwürfen konfrontiert, hinzu kommen die vom Gesetz legitimierten, geschlechtlichen von der konservativen Norm abweichenden Lebensweisen. Auch, wenn die Polizei bemüht ist, das Bildungsniveau in ihren reihen anzuheben, kommt dies gegen die herrschenden ‚Cop-Cultures‘ nicht wirklich an. Sie versucht durch mehr oder weniger getürkte Statistiken, die auf eine stark angestiegene Zahl von Gewalttaten gegen Polizisten hinweisen, sich selbst als Opfer darzustellen, nicht ohne Wirkung und mit Unterstützung ihrer Gewerkschaft. Um diesen Apparat, der die ausführende ‚Gewalt‘ von Recht und Gesetz darstellt, noch als ‚Freund & Helfer‘ empfinden zu können, sollte Mensch die folgenden Kriterien erfüllen – Deutsch, weiß, wohlhabend, Hetero und einer Mitteleuropäischen Religion angehörend, wenn überhaupt. Die Polizei ist inzwischen eindeutig die Vertreterin des privilegierten teils der Gesellschaft. Um dies zu ändern und das demokratische Grundprinzip von ‚Alle Menschen haben die gleichen Rechte‘ wieder herzustellen, steht der Polizei noch ein langer, steiniger Weg bevor. Eine erschreckende Bilanz!

Econ

Hardcover mit Schutzumschlag

448 Seiten, 24,99 €

ISBN: 9783430210591

Benjamin Derin ist Rechtsanwalt in Berlin und insbesondere in den Bereichen Strafverteidigung und Verfassungsrecht tätig. Er ist langjähriger wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Tobias Singelnstein und beschäftigt sich dort v.a. mit Forschung zu Polizei, Strafrecht und Gesellschaft. Er ist Redakteur der Zeitschrift “CILIP – Bürgerrechte und Polizei” und Autor diverser Fachpublikationen und allgemeiner Veröffentlichungen zu den Themen Grundrechte, Polizei und Strafverfahren.

Prof. Dr. Tobias Singelnstein ist Inhaber des Lehrstuhls für Kriminologie an der Juristischen Fakultät der Ruhr-Uni Bochum und u.a. Leiter der Studie “Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen”. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in der Kriminologie (u.a. soziale Kontrolle und Gesellschaft, Polizei und Justiz, Sicherheitsforschung) sowie im Strafrecht. Er führt verschiedene Forschungsprojekte durch und leitet seit 2018 den weiterbildenden Masterstudiengang “Kriminologie, Kriminalistik und Polizeiwissenschaft”. Er ist Mitherausgeber von Fachzeitschriften und Vertrauensdozent der Hans-Böckler-Stiftung. 2020 wurde er als Mitglied für das Fach Kriminologie in das Fachkollegium Rechtswissenschaft der DFG gewählt.