© Marian Wood Kolisch
Ursula K. Le Guin, 2018 verstorben, ist ein hochdekoriertes „Urgestein“ der angloamerikanischen Science-Fiction. ‚Das Wort für Welt ist Wald‘ ein Klassiker aus den 70er Jahren erhält durch die Neuübersetzung von Karen Nölle einen frischen, angenehmen Anstrich. Tief philosophisch ist Ursula K. Le Guins Blick auf die Zukunft der Menschheit.
Athschea, , so nennen die 3 Millionen humanoiden Bewohner den von dichten Waldbewuchs geprägten Planeten. Athschea heißt denn auch Wald in ihrer Sprache. Die kleinwüchsigen, grün pepelzten Wesen sind eins mit dem Wald und träumen zufrieden zwischen Wald und jenseits. Technologische Entwicklungen brauchen sie nicht, denn seit Urzeiten sind die Bewohner Athscheas glücklich. Doch eines Tages bricht die Hölle über sie ein. Ein terranisches Raumschiff spuckt eine Horde Holzfäller und Soldaten aus. Der Erde geht nach eigenem Kahlschlag das Holz aus, das mittlerweile eine ähnliche Wertigkeit wie Gold besitzt. Zwar wissen die Organisatoren der Kolonialisierung von der Anwesenheit des Waldvolkes. Doch wegen ihrer körperlichen und technologischen Unterlegenheit befürchten sie keine Gefahr. Entgegen der terranischen Vorschrift, die Urbevölkerung nicht zu versklaven, geschieht genau das. Ein Teil der Athscheaner wird wie Vieh gehalten und zu niedrigen Diensten gezwungen. Captain Davidson, ein grobschlächtiger Denker leitet einen Außenposten der Kolonie und blickt boshaft herablassend auf die versklavten Ureinwohner. Ray Lynbar, Anthropologe und mit der Aufgabe betraut, das Volk der Athscheaner zu studieren und Gefahren einzuschätzen, die möglicherweise von ihnen ausgehen könnten, ist der Einzige, der den Wert dieser fremden Kultur erkennt. Er hat ein freundschaftliches Verhältnis zu dem Volk aufgebaut, insbesondere zu Server, einem der Sklaven. Server hat versucht, Captain Davidson zu töten, nachdem er Servers Frau vergewaltigte und diese an den Folgen starb. Athscheaner sind vollkommen aggressionslos, so glaubt Lynbar. Server zeigt, das auch das Waldvolk Grenzen kennt, die, wenn sie überschritten werden, auch vor körperlicher und technologischer Überlegenheit nicht kapitulieren, die die Terraner zur ‚überlegenen Rasse‘ macht. Soweit der erste Roman aus dem Hainisch Universum von Ursula K. Le Guin. Im zweiten Teil des Doppelbandes, mit dem Titel ‚Die Überlieferung‘ erzählt die Autorin die erschütternde Geschichte einer Gesellschaft, die ihr kulturelles Erbe unterdrückt hat. Die Neuübersetzung der Romane aus den 70er Jahren von Karen Nölle zeigt erstmals Le Guins ganze sprachliche Meisterschaft und vor allem die Weitsicht, mit der sie bereits vor 50 Jahren die aktuelle Situation .und Entwicklung der Menschheit vorzeichnete.
FISCHER Tor
400 Seiten, 16,99 €
ISBN: 978-3-596-70578-8
Übersetzt von: Karen Nölle
Ursula K. Le Guin (1929–2018) gilt als die Grande Dame der angloamerikanischen Science-Fiction. Sie wurde mit zahlreichen Literatur- und Genrepreisen ausgezeichnet, zuletzt mit dem National Book Award für ihr Lebenswerk. Ihre Bücher beeinflussten viele namhafte Autoren, darunter Salman Rushdie und David Mitchell ebenso wie Neil Gaiman und Ian M. Banks.

