Ein heißes Eisen, dem sich die beiden Autoren hier widmen. Die Gedanken sind frei! Oder vielleicht bald nicht mehr? Haynes und Eckoldt bringen uns in ihrem Buch ‚Fenster ins Gehirn‘ auf den neuesten Stand der technischen Möglichkeiten in die Köpfe – nicht nur – von Menschen zu schauen. Seriös und unkonventionell!
Egal, welche Ergebnisse dieses Buch beinhaltet, gilt es doch zunächst, ethische und moralische Bedenken auf den Zugriff der eigenen Gedanken zu ergründen – also auf das stille Kämmerlein, den letzten Rückzugsort des menschlichen Individuums. Doch zu erforschen, wie sich Leib – Seele, Geist – Gehirn zueinander verhalten, welche Schnittstellen erforderlich sind m Äther mit Materie zu verbinden, empfinde ich auch als viel reizvoller, wie abstoßend. Seit Jahrtausenden sind Philosophen wie Platon, Sokrates und Descartes diesem Geheimnis auf der Spur. Gibt es ein Bewusstsein nach dem Tod? Anhänger des Dualismus – Seele und Leib sind nur zeitlich und räumlich partiell verbunden – sind dieser Ansicht und stellen die Mehrheit der Bevölkerung dar. Dies ist auch die Grundüberzeugung der abendländischen Kultur. Doch wo ist die Schnittstelle oder sind Schnittstellen, die Körper und Geist verbinden? Während Descartes im 17. Jahrhundert die kleine Zirbeldrüse ((Hirnanhang) zum Tor des Bewusstseins erkoren hat, weiß es die aktuelle Wissenschaft besser. Die technischen Möglichkeiten, Hirnaktivitäten zu untersuchen, haben sich während der letzten Jahrzehnte in rasantem Tempo weiterentwickelt. (EEG-Pet-MRT-fMRT) Mit der Erforschung dieser Thematik befassen sich Geisteswissenschaftler mit der gleichen Energie, wie Physiker, Biologen und Neurologen. Doch offenbar ist jetzt endlich die Zeit gekommen, alle Bereiche miteinander zu vernetzen und Wissen auszutauschen. Doch wem dient der Blick ins Gehirn? Der Verbrechensbekämpfung wird dies sicherlich entgegenkommen und wird dort auch schon diskutiert. Die Industrie nutzt Neuromarketing zur Optimierung ihrer Verkaufsstrategien. Doch ethisch freundlicher fühlt sich der Einsatz im medizinischen Bereich an, der dabei hilft, körperliche Fehlleistungen zu kompensieren. Das Hirn auf den Rang eines Trägermediums für kommerzielle Zwecke zu reduzieren, wie Facebook es plant, entspricht zwar kapitalistischer Logik, birgt aber ziemlich große gefahren. Deshalb bin ich beruhigt, dass Brain-Reading noch in den Kinderschuhen steckt und somit gesellschaftlicher Kontrolle untergeordnet werden kann.
Ullstein Hardcover
304 Seiten, 24,- €
ISBN: 9783550200038
JOHN-DYLANHAYNES, geboren 1971, Psychologe und Neurowissenschaftler, ist Direktor des Berlin Center for Advanced Neuroimaging und Professor am Bernstein Center for Computational Neuroscience der Charité Berlin. Er war wesentlich daran beteiligt, das Thema Gedankenlesen für die Hirnforschung zu erschließen. Über seine Arbeit wurde international berichtet, darunter im Guardian, auf CNN, in der ZEIT, im Spiegel und in National Geographic.
MATTHIAS ECKOLDT, geboren 1964, veröffentlichte Romane und Sachbücher. Eine kurze Geschichte von Gehirn und Geist sowie Leonardos Erbe wurden für das Wissensbuch des Jahres 2017 bzw. 2019 von Bild der Wissenschaft nominiert. Das von ihm mit Randolf Menzel verfasste Buch Die Intelligenz der Bienen wurde ein Bestseller. Zuletzt erschien von ihm Virus – Partikel Paranoia Pandemie. Für seine Arbeit wurde Eckoldt u. a. mit dem idw-Preis für Wissenschaftsjournalismus ausgezeichnet.

